Ein Erlebnis zwischen Cappuccino, Servicekultur und Wert-Bon
Essen, Rathaus Galerie. Samstagvormittag, die Sonne fällt durch die Glasfassade, Menschen schlendern mit Einkaufstüten und Kaffeebechern, und ich denke mir: Warum nicht mal einen Moment aus dem Alltag raus?
Ein Cappuccino, ein Stück Kuchen, ein bisschen Ruhe – das kleine Glück zwischen To-do-Liste und Einkauf.
Gesagt, getan. Ich lande in der Bäckerei Horst Hemke, laut Beschreibung auf der Website der Galerie ein „Ort zum gemütlichen Verweilen und Relaxen“ – mit Platz für rund 60 Gäste. Klingt gut, dachte ich.
Ich bestelle, bezahle rund 11 Euro und genieße meinen Cappuccino. Alles ist wunderbar – bis sich das Leben meldet, wie es das eben tut.
Ein dringendes Bedürfnis, diskret, aber eindeutig. Ich schaue mich um, folge dem Instinkt, entdecke schließlich ein Schild. Nur leider steht darauf: „Mitarbeiter-Toilette“.
Also zurück zur Theke, freundlich gefragt:
„Entschuldigung, haben Sie eine Kundentoilette?“
Die Antwort: kurz, sachlich, frei von jeder Dramatik –
„Nein, bitte gehen Sie auf die Sanifair-Toilette in der Galerie.“
Das bedeutet: Einmal raus, den Weg gegenüber der Bäcker im Einkaufszentrum benutzen, und dann ein Euro Eintritt.
Ein Euro, damit ich darf, was die Natur ohnehin verlangt. Ich rechne im Kopf: Kaffee und Kuchen 11 Euro, plus ein Euro für das, was im Preis eigentlich enthalten sein sollte – nennen wir es „Notfall-Servicepauschale“.
Ob das erlaubt ist? Vermutlich ja.
Ob das kundenfreundlich ist? Ganz sicher nicht.
Denn wenn man eine Bäckerei mit Café betreibt, das „zum Verweilen“ einlädt, sollte man auch an die Folgen des Verweilen denken. Ein Laden mit 60 Sitzplätzen, aber ohne Kundentoilette, ist ungefähr so sinnvoll wie ein Schwimmbad ohne Dusche – theoretisch möglich, praktisch absurd.
Ich spreche die Verkäuferin später erneut darauf an, weil ich wirklich wissen will, ob ihr das Problem bewusst ist. Ihre Antwort ist schlicht:
„Ja, ich weiß.“
Drei Worte, die alles sagen. Man weiß es – und macht trotzdem nichts. Willkommen im Land der gepflegten Gleichgültigkeit.
Mein Fazit
Diese kleine Episode war kein Weltuntergang, aber ein aufschlussreicher Moment über das, was Servicekultur ausmacht – oder eben nicht.
Manchmal braucht es keinen großen Skandal, nur einen simplen Becher Kaffee, um zu merken, wie wenig mancherorts an die Gäste gedacht wird.
Beim nächsten Kaffeetrinken werde ich mir ein anderes Lokal suchen.
Eines, das nicht nur mit schönen Worten zum „Verweilen“ einlädt, sondern auch versteht, dass Wohlfühlen bei den kleinen Dingen anfängt – und manchmal eben bei einer Tür mit der Aufschrift „Kundentoilette“.

