Zwischen Adventsfreude und steigenden Stromkosten
Weihnachten steht vor der Tür. Eigentlich eine Zeit der Besinnlichkeit. Eine Zeit, in der man sich auf den Urlaub freut, auf vertraute Rituale wie das Anzünden einer Kerze am Sonntag, auf den Duft von Tannenzweigen, Keksen und Weihnachten im Haus. Auf Weihnachtsmärkte, Lichter, Familie. Und natürlich auf das alljährliche Dauerfeuer im Radio, bei dem „Last Christmas“ zuverlässig auf jedem Sender läuft – auch wenn für mich persönlich „Driving Home for Christmas“ von Chris Rea unangefochten an der Spitze steht.
Kurz gesagt: Ich freue mich auf Familie und auf die Traditionen, die jedes Jahr wieder dazugehören.
Und dann ist da diese andere Tradition, auf die ich gerne verzichten würde.
Post, die niemand braucht
In den Wochen vor dem heiligen Fest taucht sie zuverlässig auf: die Post vom Finanzamt oder – wie in diesem Jahr – ein Schreiben vom Energieversorger mit drei Buchstaben. Freundlich formuliert, optisch geschniegelt, inhaltlich aber wie immer ernüchternd.
Natürlich wird darin erklärt, dass nicht alle Kostenbestandteile gestiegen sind. Manche Positionen seien sogar leicht gesunken. Am Ende zählt jedoch nicht die hübsche Auflistung, sondern der Betrag unter dem Strich. Und der fällt erneut höher aus.
Konkret bedeutet das: Für den Kostenblock „Beschaffung und Vertrieb“ zahle ich künftig 85,54 Euro brutto mehr pro Jahr. Wieder einmal.
Was bedeutet eigentlich „Beschaffung und Vertrieb“?
Diese Position sorgt regelmäßig für Stirnrunzeln, weil sie vergleichsweise abstrakt klingt. Anders als Netzentgelte oder Steuern ist sie für viele schwer greifbar.
Kurz gesagt umfasst „Beschaffung und Vertrieb“ alles, was der Energieversorger aufwenden muss, um den Strom oder das Gas überhaupt zu dir nach Hause zu bringen – abgesehen vom reinen Transport über die Netze.
Dazu gehören unter anderem:
- Energiebeschaffung
Der Einkauf von Strom oder Gas an der Börse oder über langfristige Lieferverträge. Schwankende Marktpreise, geopolitische Ereignisse und Angebot und Nachfrage spielen hier eine große Rolle. - Risikomanagement
Energieversorger sichern sich gegen Preisschwankungen ab. Diese Absicherung kostet Geld, schützt aber vor extremen Preissprüngen. - Vertriebskosten
Kundenservice, Abrechnung, IT-Systeme, Personal, Marketing, Verwaltung und Kommunikation. Alles, was notwendig ist, um Tarife anzubieten, Rechnungen zu erstellen und Kunden zu betreuen. - Unternehmerisches Risiko und Marge
Auch Energieversorger arbeiten nicht zum Selbstkostenpreis. Eine Gewinnmarge ist einkalkuliert, um Investitionen, Rücklagen und wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.
Dieser Kostenblock ist also eine Mischung aus Marktpreis, Organisation, Absicherung und Gewinn. Genau hier setzen viele Preiserhöhungen an, weil dieser Bereich weniger stark reguliert ist als Steuern oder Netzentgelte.
Am Ende zahlt immer der Kunde
Egal wie blumig solche Schreiben formuliert sind: Abgerechnet wird am Schluss. Und dort steht Jahr für Jahr eine höhere Zahl.
Das eigentliche Problem liegt tiefer. Das Leben insgesamt wird spürbar teurer. Energie, Lebensmittel, Versicherungen, Wohnen – alles zieht an. Tarifliche Lohn- und Gehaltserhöhungen gleichen das kaum noch aus. Was auf dem Papier nach mehr aussieht, ist im Alltag oft schon wieder aufgezehrt, bevor es richtig ankommt.
Der Lebensstandard, den man sich über Jahre erarbeitet hat, wird nicht mehr selbstverständlich gehalten, sondern muss immer öfter verteidigt werden.
Der Gürtel wird enger – jedes Jahr ein Loch mehr
So langsam bin ich es leid, den Gürtel Jahr für Jahr ein weiteres Loch enger zu schnallen. Sparen wird zur Daueraufgabe, nicht zur Ausnahme. Und selbst wer bewusst mit Energie umgeht, effizient lebt und vergleicht, entkommt dieser Entwicklung kaum.
Vielleicht geht es dem einen oder anderen genauso. Vielleicht ist dieses Gefühl, dass die Freude auf die kleinen Dinge immer öfter von solchen Briefen getrübt wird, kein Einzelfall mehr.
Und vielleicht gehört genau das inzwischen leider auch zu unseren neuen „Traditionen“.

